spurensuche_DENKmalSCHUTZ
Frottage, Installation, Interaktion, 15. – 17.April 2017
Spurensuche_Jeder Ort, der eine längere Zeit überdauert, bringt seine Geschichte und seine Erinnerungen mit. Die Räume, Wände, Möbel, Gegenstände und Zurückgelassenes speichern das Leben, das dort stattfindet oder geschehen ist. Sind die Räume verlassen, atmen sie die Vergangenheit immer noch in tiefen Zügen aus. Eine besondere Faszination geht von ihnen aus, die die Realität mit der Fantasie zu einem verworrenen Netz aus Imagination und Fakten verknüpft.
Illusionen.verfallen_Das alte jüdische Kaufhaus Totschek in Görlitz ist eine Herausforderung. Es sträubt sich mehr als manch anderer Ort, seine Spuren preiszugeben. Es verbirgt seine Geschichte in den Räumen ebenso so hartnäckig wie seine Geschichte, die sich nur lückenhaft rekonstruieren lässt. 1868 eröffnet, war es der Lebenstraum des Adolph Totschek, den sein Sohn Walter nach dessen Tod 1901 weiterlebte. Dieser Traum zerbrach mit dem Naziregime im Jahr 1936. Walter Totschek starb 1944 in New York, wo er den Verlust des Familienunternehmens nie richtig überwand. Ab dann wird es schwer, eine Art Chronik des Hauses zusammenzufügen. Immer wieder gibt es längere oder kürzere Zwischenutzungen bis in die 1990er Jahre hinein. Nun steht es endgültig seit vielen Jahren mehr oder weniger leer. Im vergangenen Jahr hat es einen neuen Beitzer gefunden. Wie wird die Zukunft dieses charmanten Hauses aussehen?
DENKmalSCHUTZ_Von Außen beeindruckt das Gebäude mit großen Fenstern, durch die ein imposantes Treppenhaus erkennbar wird. Innen geht durch den sichtbaren Verfall viel von dem beeindruckenden ersten Eindruck verloren. Da ist eine große Leere. Und kaum Luft zum atmen. Es gibt kaum etwas, das mit Sicherheit dem Ursprungszustand zugeschrieben werden kann. Wo sind die Spuren der Geschichte, die Alfred Totschek, seine Mitarbeiter und Kunden hier begonnen haben zu schreiben? Alles steht unter Denkmalschutz, darf nur mit äusserster Vorsicht genutzt werden…und doch ist der Verfall so sichtbar, dass es einem wie eine Pharse vorkommt.
Was mit Sicherheit ursprünglich ist, ist das Haus selbst. Risse in den Wänden, die durchgetretenen Holzdielen, Stücke vom Putz, unter denen die definitiv erste Schicht „Tapete“ sichtbar wird – alte Zeitungen, wahrscheinlich aus dem Gründungsjahr des Kaufhauses.
Die Spurensuch beginnt_Mit der Technik der Frottage, dem durchreiben des Untergrundes, werden neue Strukturen und wesenähnliche Zeichnungen sichtbar, die sich völlig vom äusserlichen Anblick der Stelle unterscheidet. Unauffälligkeiten werden zu Besonderheiten, Gesichtern und faszinirenden Strukturen. Es ist wie die Suche von Wolkenbildern….fängt man einmal an, wachsen die Fantasiebilder ebenso schnell wie die Wolken sich verändern. Und wenn die ersten Augen auftauchen, wird es sehr lebendig in den altern Mauern….
Die Stellen, an denen Frottagen abgenommen oder Dinge gefunden wurden, um im Präsentationsraum gesammelt zu werden, sind mit pinken Post-its markiert. Eine Denkmalschutz-artige Archivierung von scheinbar unauffäligen Spuren, 30 insgesamt, die doch auf etwas besonderes Hinweisen. Wer sich aufmerksam im Ausstellungsbereich umsieht, wird einige vielleicht finden. Andere sind hinter dem Ausstellungsaufbau versteckt, wieder andere haben sich durch Staub wieder gelöst.
Damit sie sichtbar bleiben, gibt es eine 3. Ausstellungsebene – über den Link eines QR-Codes werden die BesucherInnen auf die Website des Projekts geleitet. Dort sind die 30 Spuren fotografisch archiviert. So können die Originale der Frottagen und die Fundstücke im Präsentationsraum angesehen und über das Internet gefunden werden. Illusionen.verfallen….mit einem Klick.